Die Antwort auf Fragen, die mit „Bin ich eigentlich die einzige Person …“ anfangen, ist grundsätzlich „Nein“.
Erfahrungsberichte von Eltern
Meine Tochter hat sich geoutet
Wie war das damals, als meine Tochter ankam: Mama, können wir kurz reden?
Was kommt jetzt wieder? Sie war damals 15, in der Pubertät und wir waren alle in einer schwierigen Situation, da ihr Vater und ich vor kurzem erst geschieden waren. Die Kinder lebten beim Vater und kamen nur jedes zweite Wochenende zu mir. Aber entgegen meinen Befürchtungen ging es nicht um irgendwelche Streitereien mit dem Vater, sondern um einen Wunsch: Sie wollte zum SMJG-Treff! Ich war völlig überrascht, da ich damals noch nichts von der SMJG wusste. Natürlich war mir bekannt, dass es Menschen mit sexuellen Vorlieben gibt, die mit Macht und Unterwerfung, mit Fesselungen, mit Schmerz zufügen und erleiden zu tun haben. Aber ich habe nie daran gedacht, dass eines meiner Kinder solche Bedürfnisse haben könnte.
Das Wichtigste damals -glaube ich- war, dass ich erst einmal nur zugehört habe, was sie mir dazu erzählt hat. Sie hatte das Treffen über das Internet gefunden und wollte nun meine Erlaubnis, dahin gehen zu dürfen. Ich war zunächst ziemlich verwirrt, da ich mich mit dem Thema noch nie auseinander gesetzt hatte. Was sollte/konnte ich jetzt tun? Darf ich meinem Kind erlauben, dort hin zugehen? Nein, eigentlich nicht, das Jugendschutzgesetz schreibt vor, dass Kinder in diesem Alter um 22:00 zu Hause sein müssen. Aber wer hat hier was zu sagen, ein Gesetz oder ich? Darf ich meinem Kind verwehren, seine Sexualität so auszuleben, wie es ihm entspricht? Muss das aber so früh sein? Meine Tochter hat zwar ihren ersten Freund, aber doch nicht gleich so? Aber wenn sie sich jetzt als lesbisch geoutet hätte, hätte ich ja bestimmt nicht gesagt, ach bleib doch einfach ein paar Jahre bis zu deine Volljährigkeit noch ‚normal‘. Das hätte ich wohl eher schnell verstehen können. Das erschien mir ‚normaler‘. Meine größte Befürchtung damals war aber, ob ein Mensch mit einer solchen Vorliebe eine Beziehung führen kann, die auf Respekt, Toleranz und Liebe aufgebaut ist. (Nach meiner Scheidung hielt ich das für ganz besonders wichtig)
Ich habe mich dann dazu entschieden, meiner Tochter zu vertrauen, ihr zuzugestehen, dass sie kein kleines Kind ist, das auf eine Herdplatte greifen will, sondern dass sie eine junge Frau auf dem Weg zum Erwachsenwerden ist und dafür ihren eigenen Weg gehen muss. Ich habe ihr erlaubt, den Treff zu besuchen und das war gut so. Sie hat dort Gleichgesinnte gefunden, im Laufe der Zeit gute Freunde und in der SMJG auch einen Verein, mit dem sie inzwischen eng verbunden ist.
Unsere Mutter-Tochter-Beziehung hat nie darunter gelitten, sie ist eher dadurch besser geworden. Mein Kind hat das Vertrauen, das ich in sie gesetzt hatte, mir vielfach zurückgegeben, und rückblickend bin ich sehr froh, damals so gehandelt zu haben. Meine Fragen und Bedenken resultierten vor allem aus meiner Unwissenheit darüber, was SM wirklich ist und die intensivere Beschäftigung mit diesem Thema hat mich erkennen lassen, dass es nichts Schlimmes oder Gefährliches ist, sondern eine Form von vielen, ein glückliches Sexualleben zu führen. Und damit ein glücklicherer Mensch werden zu können. Ich bin sehr stolz auf sie und ein kleines bisschen auf mich, dass sie sich damals mir anvertraut hat und ich sie unterstützt habe.